Glaubenssache

Kirchenkreis Burgdorf, 01. Juni 2024
Foto: Iris Bastin

Musik kennt keine Scham

„Epistula non erubescit!“ („Der Brief errötet nicht!“), schreibt der antike römische Schriftsteller und Politiker Cicero. Im Lauf der Jahrhunderte ist ein Sprichwort daraus geworden: Papier ist geduldig. Auf Papier kann man mal eben Vereinbarungen niederschreiben, die nicht unbedingt gehalten werden. Oder Unwahrheiten festhalten, vielleicht sogar Beleidigungen unterbringen. Papier kennt keine Scham. Auch „digitales Papier“ nicht.

Mit der Musik ist es genauso. Musik geht immer – egal, ob laut oder leise, schräg oder exakt auf den Ton. Kommt drauf an, wo sie erklingt. Bei einem Konzert, einer Familienfeier, im Gottesdienst, im Stadion oder am Strand. Manchmal mit umgedichteten Songs; die Melodie kennen alle, fehlt nur noch der Text. Wirklich praktisch! Und oft einfach nur kreativ und großartig. Manchmal aber leider voll daneben. Mit gepfefferten Beleidigungen, Hass und Hetze. Musik ist geduldig. Musik kennt keine Scham.

Glücklicherweise aber können Menschen erröten, können sich schämen. Können Verantwortung übernehmen und in Zukunft andere Lieder singen. Schön oder schräg, laut grölend oder leise summend; ohne die Würde anderer anzukratzen.

„L‘amour toujours/Für immer Liebe“ – so heißt das Lied, das in den letzten Tagen traurige Berühmtheit erlangt hat, weil es mit einem widerlichen und menschenfeindlichen Text gesungen wurde. Was für ein Kontrast zum eigentlichen Inhalt!

Der ursprüngliche Titel erinnert mich an das kirchliche Motto für dieses Jahr: „ Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ Meint eben auch: „Alles, was ihr singt, geschehe in Liebe, mit Achtung und Respekt.“

Kirsten Kuhlgatz
Pastorin im Lehrter Land und Klinikseelsorgerin im Klinikum Region Hannover (Großburgwedel und Lehrte)

„Glaubenssache – Beiträge und Texte aus Kirche und Religion“ erscheint als Kolumne jeweils sonnabends im Marktspiegel für Burgdorf und Uetze, sowie im Marktspiegel für Lehrte und Sehnde. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Kirchen schreiben Beiträge aus ihren Kirchengemeinden, Einrichtungen und Arbeitsfeldern, von ihren Erfahrungen und zu dem, was sie gerade beschäftigt.