Kirchenkreissynoden verabschieden einstimmig Schutzkonzept

19. Juni 2024
Die Synode des Kirchenkreises Burgdorf votiert einstimmig für das Schutzkonzept. Foto: Stefan Heinze/Kirchenkreis Burgdorf

Übereinstimmende Standards zur Prävention sexualisierter Gewalt


Gemeinsame Pressemitteilung der Kirchenkreise Burgdorf und Burgwedel-Langenhagen

19. Juni 2024
 
Die ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie, die im Januar veröffentlicht wurde, hat offengelegt, was schon seit dem Bekanntwerden einzelner Fälle von sexualisierter Gewalt zu befürchten war: Strukturen innerhalb der evangelischen Kirche haben Übergriffe und Missbrauch ermöglicht und sogar begünstigt. Betroffene von sexualisierter Gewalt hingegen wurden oftmals nicht gehört.
 
„Wir müssen als Kirche zu einer Haltungsänderung kommen. Neben Aufklärung und Aufarbeitung braucht es die Sorge dafür, dass wir Kirche als Ort gestalten, an dem sich Menschen sicher fühlen können“, sagten Sabine Preuschoff, Superintendentin des Kirchenkreises Burgdorf, und Dirk Jonas, Superintendent im Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen, anlässlich der aktuellen Synoden ihrer Kirchenkreise übereinstimmend. „Der Sicherheit dienen Schutzkonzepte, die nach innen und nach außen deutlich zeigen: Wir schauen genau hin und lassen sexualisierte Gewalt nicht zu.“
 
Die beiden Kirchenkreise haben es sich zur Aufgabe gemacht, beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitende im Kirchenkreis, seinen Einrichtungen und Kirchengemeinden für Grenzverletzungen, Übergriffigkeit und Missbrauch zu sensibilisieren und eine Haltung der Achtsamkeit zu fördern. Jeweils einstimmig verabschiedeten die Kirchenkreissynode Burgwedel-Langenhagen am 4. Juni und die des Kirchenkreises Burgdorf am 18. Juni daher ein übereinstimmendes Schutzkonzept zur Prävention sexualisierter Gewalt. 
 
Das nun beschlossene Schutzkonzept soll ein Bewusstsein dafür schaffen, wo sexualisierte Gewalt anfängt, wie Grenzverletzungen und Übergriffe thematisiert und verhindert werden können und wie angemessen auf mögliche Fälle reagiert wird. Neben der Prävention ist es daher wichtig, geeignete Maßnahmen, klare Abläufe und Ansprechpersonen zu benennen.
 
Seit Dezember 2021 hatte eine multiprofessionelle Steuerungsgruppe aus beiden Kirchenkreisen unter Leitung von Superintendentin Sabine Preuschoff intensiv an einem Muster-Schutzkonzept gearbeitet. Seit gut einem Jahr haben auf dieser Grundlage auch die Kirchengemeinden und Einrichtungen eigene Schutzkonzepte entwickelt. In den Schutzkonzepten wird jeweils eine Risikoanalyse erstellt, in der Räume, Kommunikationswege, Situationen bedacht werden und darüber beraten wird, was zu verändern ist, um für größtmögliche Sicherheit zu sorgen.
 
Für beruflich und ehrenamtlich tätige Mitarbeitende, die Leitungsaufgaben wahrnehmen, die in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder in Seelsorge und Beratung tätig sind, gibt es verpflichtende mehrstündige Grundschulungen nach landeskirchlichen Standards. Die Schulungen sollen für einen grenzachtenden Umgang und eine Haltung der Achtsamkeit sensibilisieren. Die Kirchenkreise fordern die Kirchengemeinden zudem dazu auf, auch alle anderen Mitarbeitenden, die mit Menschen arbeiten, schulen zu lassen. Beruflich Tätige müssen zudem ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen; in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen werden diese Zeugnisse seit langem eingesehen. Zukünftig werden darüber hinaus Bewerberinnen und Bewerber für eine Mitarbeit in der Kirche bereits in den Vorstellungsgesprächen auf das Schutzkonzept hingewiesen.
 
Ein wichtiger Bestandteil eines jeden Schutzkonzeptes ist auch der Interventionsplan. Dieser regelt das Vorgehen im Fall der Vermutung von sexualisierter Gewalt, benennt eindeutige Zuständigkeiten und gibt klare Handlungsanweisungen.

Das Konzept

Das Schutzkonzept zur Prävention sexualisierter Gewalt im Kirchenkreis Burgdorf können Sie hier einsehen.

Zum Download des Schutzkonzepts

Die Einbringung durch Superintendentin Sabine Preuschoff

Zum Nachhören (11:57):

Foto: Dethard Hilbig

Die Einbringung durch Superintendentin Sabine Preuschoff

Zum Nachlesen:

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

die meisten von Ihnen werden Anfang Juni im Vorfeld der Landessynode und auch währenddessen in Presse, Radio- und Fernsehnachrichten in Teilen oder ausführlicher die Thematik von „sexuellem Missbrauch“ und „evangelischer Kirche“ in Kombination wahrgenommen haben.

Ein Tagungsschwerpunkt der Landessynode war „Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Landeskirche“: Mit Nancy Janz sprach eine Betroffenenvertreterin und beschrieb eindrücklich und schmerzhaft das, was ihr in der Kirche widerfahren ist – an sexueller Gewalt, an Zurückweisung, als sie in der Gemeinde um Hilfe suchte, an Nicht-Gehört-Werden.

Und wer ihr zugehört hat und dennoch immer noch der Meinung ist, das würde in seinem oder ihrem Umfeld nicht möglich sein, und die Thematik weit von sich wegschiebt, dem muss ich sagen: Schön wär´s – aber das ist leider falsch. Denn genau das ist passiert, als ich grenzverletzendes Verhalten ansprach und erleben musste, dass das nicht für möglich erachtet, die betroffene Person als nicht glaubwürdig betrachtet und der kirchliche Mitarbeiter ohne ernsthafte Prüfung der Sachverhalte aufs Schärfste in Schutz genommen wurde. Das zeigt, wie dramatisch wichtig und unverzichtbar es ist, die Menschen in unseren Gemeinden für das Thema zu sensibilisieren.

Im zeitlichen Umfeld der Synode wurde die Landeskirche kritisiert, dass sie die Schutzkonzepte zur Prävention wie ein Schutzmäntelchen hochhalte nach dem Motto: wir tun doch etwas. Und es wurde kritisiert, dass das allein nicht reiche.

Das ist richtig. Das allein reicht nicht. Deshalb hat die Landeskirche inzwischen auch Vieles zur Intensivierung der Arbeit getan; u.a. hat sie auch die Fachstelle mit Stellen deutlich aufgestockt.

Neben der Intervention bei aktuellen Meldungen, die nach dem dem Schutzkonzept beigefügten Interventionsplan auf Gemeinde-, Kirchenkreis- und Landeskirchenebene bearbeitet wird, und – zweitens – neben der Aufarbeitung zum großen Teil jahrzehntelang zurückliegender Fälle unter Federführung der landeskirchlichen Ebene ist dann aber drittens die Prävention wesentlich Aufgabe auf Gemeinde- und Kirchenkreisebene. Unsere Aufgabe. Auch in Zukunft.

Unser Ziel muss meines Erachtens eine Generalbereitschaft sein – nämlich die Bereitschaft aller „in Kirche“, sich dem Thema sexualisierter Gewalt offensiv zu stellen und diese Bereitschaft zum Ausdruck zu bringen. Indem ich mich etwa auf einen Verhaltenskodex verpflichte, indem ich mich in der Prävention schulen und sensibilisieren lasse, indem ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt wird, indem wir in regelmäßigen Abständen das Risiko vor Ort analysieren und ggf. nachsteuern, neu formulieren usw.

Die von den evangelischen Kirchen und der Diakonie in Auftrag gegebene und am 25. Januar 2024 veröffentlichte ForuM-Studie, in der sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche seit 1945 untersucht worden war, macht deutlich: Sexualisierte Gewalt hat viele Facetten und geschieht nicht nur in körperlichen Übergriffen, sondern auch in Sprache, Gesten und Berührungen. Dem will der Kirchenkreis mit dem Schutzkonzept und einer umfassenden Schulung all seiner Verantwortungsträger und Mitarbeitenden begegnen.

Wir brauchen eine Sensibilisierung und Klärung unserer Strukturen und der Kultur unseres kirchlichen Miteinanders, weil Eltern uns ihre Kinder anvertrauen und wir Verantwortung für die Menschen haben, die unsere Angebote nutzen und besuchen. Wir wollen bei der Prävention sexualisierter Gewalt aber auch deshalb klarer, aufmerksamer und sensibler werden, weil dies unserem christlichen Selbstverständnis entspricht.

Bis spätestens Ende 2024 sind in allen kirchlichen Körperschaften und Einrichtungen spezifische Schutzkonzepte zu entwickeln und verbindliche Fortbildungsveranstaltungen für alle ehrenamtlich und beruflich Mitarbeitenden in Leitungsaufgaben und in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie in Seelsorge und Beratung fortlaufend durchzuführen (vgl. Rundverfügung G8/2021 vom 12.8.2021).

Daraus ist in unseren beiden Kirchenkreisen die Formel geworden: „Menschen, die mit Menschen arbeiten“; also lieber möge eine oder einer zu viel eine Schulung absolvieren als einer zu wenig. 

Nein, es geht nicht um Generalverdacht, sondern um die je persönliche Verantwortung als Christenmenschen und um unsere gemeinsame Verantwortung, in allen Gruppen, an allen Orten und auf allen Ebenen gerade auch öffentlich zu markieren: Sexualisierte Gewalt hat in unserer Kirche keinen Platz. Wir tolerieren sie in keiner Weise.
Die Kirchenkreise Burgdorf und Burgwedel-Langenhagen hatten gemeinsam im Dezember 2021 unter meiner Leitung eine breit besetzte gemeinsame Steuerungsgruppe eingesetzt, um ein Musterschutzkonzept samt nötiger Anlagen zu erarbeiten.

Im Dezember 2022 war die Arbeit so weit, dass Beauftragte in den Kirchengemeinden und Einrichtungen benannt und erste Informationsveranstaltungen für sie durchgeführt werden konnten. Zugleich wurden die Gemeinden und Einrichtungen gebeten, anhand des Musters eigene Schutzkonzepte zu erarbeiten.

Inzwischen haben im KK Burgdorf alle Gemeinden und Einrichtungen ihr eigenes Schutzkonzept eingereicht. Das ist wirklich großartig! Vielen herzlichen Dank für die Arbeit daran, die ja nicht einfache Schreibtischarbeit war, sondern eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik erforderte.

Alle Konzepte wurden von einem Teil der Steuerungsgruppe durchgesehen und haben eine Rückmeldung erhalten, wo noch Änderungen sinnvoll oder notwendig seien. 

Das Konzept, das den Kirchengemeinden und Einrichtungen als Muster vorlag, wurde aufgrund vieler hilfreicher Rückfragen und Anmerkungen noch einmal überarbeitet und liegt uns heute zur Beschlussfassung vor.
Inzwischen haben gut die Hälfte aller Kirchenkreise das getan. Vor zwei Wochen auch unser Nachbar-KK Burgwedel-Langenhagen. Einstimmig.

Darum geht es also heute: Das seit Frühjahr letzten Jahres immer wieder einmal fortgeschriebene Musterkonzept nun als Schutzkonzept des Kirchenkreises Burgdorf von der Kirchenkreissynode zu verabschieden und damit – so hoffe ich – ein deutliches Zeichen zu setzen, dass der KK Burgdorf bzgl. sexualisierter Gewalt eine Null-Toleranz-Grenze vertritt.

Die ForuM-Studie hat noch einmal mehr als deutlich gemacht, dass – um es in zwei Worten zu sagen – ein Strukturwandel und ein Kulturwandel notwendig sind – und zwar überall, wo Kirche draufsteht.

Das Schutzkonzept des Kirchenkreises, das wir heute verabschieden, ist für beides – für den Struktur- und für den Kulturwandel – ein notwendiger und wesentlicher Baustein. Es ist eine Grundlage, die jetzt in allen Arbeitsbereichen mit Leben gefüllt werden muss.

Meine Bitte an Sie alle in Ihren Gemeinden und an Ihren Orten:

  • Beschäftigen Sie sich regelmäßig mit Ihrem Schutzkonzept vor Ort.
  • Überprüfen Sie einmal im Jahr: Gab es – zum Beispiel räumliche – Veränderungen, die eine Anpassung notwendig machen?
  • Weisen Sie außerdem wahrnehmbar an verschiedenen Orten darauf hin, wo Ihr Schutzkonzept (ohne die Risikoanalyse !) einsehbar ist: Homepage, Gemeindehaus, Büro usw.
  • Denken Sie in Bewerbungsgesprächen und bei Anstellungen daran.
  • Geben Sie es neuen ehrenamtlich Tätigen zur Kenntnis.
  • Achten Sie darauf, dass neue ehrenamtlich und beruflich Tätige eine Grundschulung absolvieren.
  • Entwickeln Sie einfache Routinen im Blick auf die Vorlage von Führungszeugnissen – so, wie es zum Beispiel in der Jugendarbeit schon lange im Kirchenkreis eingeübte Routine ist.

Eine Kultur der Achtsamkeit wird nicht durch ein Schutzkonzept ein für alle Male festgeschrieben. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Ein in das Gemeindeleben integriertes „lebendiges“, also immer wieder fortgeschriebenes Schutzkonzept ist das Fundament für andauernde Achtsamkeit füreinander und untereinander.

Ein Schutzkonzept – auf welcher Ebene auch immer – ist immer auf Weiterentwicklung angelegt.

Darum bitte ich Sie, das Schutzkonzept des Kirchenkreises Burgdorf wie vorgelegt zu beschließen, und ich bitte Sie, zugleich zu beschließen, dass es fortlaufend gemeinsam durch die Superintendentin und den Superintendenten aus beiden Kirchenkreisen und die Multiplikator:innen fortgeschrieben und entsprechend den zukünftigen rechtlichen Änderungen / Ergänzungen angepasst wird.

So erfolgte Änderungen und Ergänzungen werden einerseits den Kirchengemeinden und Einrichtungen mitgeteilt, damit die je eigenen Konzepte analog angepasst werden können, und andererseits den Kirchenkreisvorständen und den Kirchenkreissynoden regelmäßig zur Kenntnis vorgelegt.

Bevor wir zu Aussprache und Beschlussfassung kommen, sage ich Dank:

  • Dank allen Mitgliedern der gemeinsamen Steuerungsgruppe beider Kirchenkreise, es war eine Freude, eine so konstruktiv arbeitende Gruppe zu leiten.
  • Dank unseren bisherigen Multiplikatorinnen Anne Basedau und Dagmar Stoeber für herausragendes Engagement.
  • Dank den Beauftragten in den Kirchengemeinden und Einrichtungen, die das entscheidende Scharnier waren, um die Erarbeitungsprozesse der je eigenen Schutzkonzepte in die Fläche zu bringen.
  • Dank allen, die in Gemeinden und Einrichtungen mitgedacht und mitgearbeitet haben, die kritisch nachgefragt und konstruktiv Vorschläge gemacht haben.

Und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.