Satt ist sie noch immer nicht
Am Montag fraß die kleine Raupe Nimmersatt sich durch einen Apfel, aber satt war sie noch immer nicht. Am Dienstag und Mittwoch und den Rest der Woche geht es so weiter. Kennen Sie noch die Geschichte von der kleinen Raupe Nimmersatt? In dieser Woche fühlte ich mich wie die Raupe.
Am Montagmorgen aß ich eine Scheibe Toastbrot, aber satt war ich nicht mal bis zum Mittag. Am Dienstagmorgen bekam ich einen Kuss, mittags eine Umarmung, doch das reichte mir nicht an Nähe. Am Mittwochmorgen klingelte die Post. Schuhe in zwei unterschiedlichen Größen, kein Paar passte und ich schickte sie Retour. Am Donnerstagmorgen bekam ich zwei neue Follower bei Instagram. Was nur zwei!? Freitagmorgen hatte ich frei und machte mittags und abends auch gleich frei. Am Samstagmorgen erhielt ich ein Lob für meine Arbeit. Am Nachmittag rief mich eine Frau an, die Kirche müsse mehr für die Alten und Schwachen tun. Das vermieste mir den Tag.
Heute ist Sonntagmorgen. Und ich weiß, Menschen sind wie Raupen. Ihr Appetit ist unstillbar. Sie hungern aus Gier und Angst vor Leere und Einsamkeit. Und Jesus Christus spricht: „Ich bin das Brot, das Leben schenkt. Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern und wer an mich glaubt, wird nie mehr durstig sein.“ (Joh 6,34). Jesus das Lebensbrot? Stillt er den nimmersatten Appetit nach Nähe, Konsum und Anerkennung? Das glaube ich nicht. Denn ich bin der Erde verbunden wie die Raupe. Und doch will mich bewegen lassen von dem, der mein Wollen und Können übersteigt. Will sein Wort hören, das meinen Hunger nach Wachstum und Mehr durchbricht. Ich will bei ihm Ruhe finden, mich verkriechen wie in einem Kokon. Gestärkt werden durch seine Kraft und sein Vorbild. Und dann emporsteigen wie ein bunter Schmetterling. Montag, Dienstag und immer wieder
Sebastian Hohensee
Pastor der Ev.-luth. Gesamtkirchengemeinde Sehnde-Rethmar-Haimar