Völkertrauertag
Das Foto von Fritzchen stand auf ihrem Radio. Ein schmales, schwarzes Band umrahmte das Bild. Nie vergehende Trauer. Sie wiederholte uns gegenüber oft diesen einen grausamen Satz, der mit der Nachricht per Post ins Haus geflattert war. „Gefallen für Großdeutschland“. Sie fluchte und weinte. Was hatte ihr junger Sohn mit Großdeutschland zu tun?! Keine Anteilnahme in einem Halbsatz, nein, sie sollte also noch stolz sein, dass ihr Sohn für das Vaterland sein Leben gegeben hatte, als wäre es eine Entscheidung gewesen.
Später habe ich gedacht, immerhin hat sie ihren Zorn, das Grauen unter der Mutterhaut, rausgelassen. Und wir haben, so gut wir konnten, zugehört, ausgehalten. Das ist mehr als ein Schicksal aus längst vergangenen Zeiten. Es ist die traurige und grausame, sich täglich wiederholende Geschichte von Gewalt, Krieg, Flucht und Vertreibung. Brennende Häuser, Einsatzkräfte in den Trümmern, weinende Mütter und Väter. Kinder und Jugendliche, deren Leben aufhört, bevor es geblüht hat.
Wir müssen diesen Tag wegen der Trauer um verlorene Menschen und den abhanden gekommenen, drängenden Wunsch nach Frieden begehen. Deshalb ein Volkstrauertag oder besser Völkertrauertag.
Wann wird die Sehnsucht nach Versöhnung lauter sein als Geschosse? Sie darf niemals unter Trümmern begraben werden. Wir brauchen nicht nur Verhandlungstische. Wir brauchen Tische, die uns gedeckt werden für essen und trinken, für tapferes Ringen und vorsichtige neue Pfade. Und dann möge eine für alle aussprechen: „Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“.
Christine Behler
Pastorin zur Mitarbeit im Ev.-luth. Kirchenkreis Burgdorf,