Nicht mehr nur durch das Zielfernrohr

12. Dezember 2024
Sulaiman Khatib beschreibt, wie er zu seinem Engagement in der Versöhnungsinitiative „Combatants for Peace“ gekommen ist. Foto: Henning Menzel

Versöhnungsinitiative „Combatants for Peace“ mit Friedenspreis „Sievershäuser Ermutigung“ ausgezeichnet

Der Krieg zwischen Israel und Palästina macht auch vor dem kleinen Dorf Sievershausen bei Lehrte nicht Halt. Aber anders als im Nahen Osten wird in Sievershausen dem Frieden und der Versöhnung ein Terrain bereitet. Im dortigen Antikriegshaus wurde jetzt die Initiative „Combatants for Peace“ mit dem mit 5000 Euro dotierten Friedenspreis „Sievershäuser Ermutigung“ ausgezeichnet. Die Bewegung hat sich die Versöhnung von Israel und Palästina auf die Fahnen geschrieben.

Das Antikriegshaus Sievershausen und die Stiftung „Frieden ist ein Menschenrecht“ vergeben diesen Preis alle zwei Jahre an Gruppen, Vereine, Organisationen oder auch an Einzelpersonen, die sich in herausragender Weise für von Krisen und Krieg Betroffene einsetzen. Die Wahl der sechsköpfigen Jury fiel diesmal auf die „Combatants for Peace“.

„Combatant“ heißt auf Deutsch Kämpfer. Für die in dieser Initiative engagierten Frauen und Männer aus den beiden verfeindeten Nationen ist es jedoch kein Widerspruch, sich unter dieser Bezeichnung für Frieden einzusetzen, denn früher bekämpften sich die meisten von ihnen als Soldaten tatsächlich gegenseitig. Schon im Kindergarten beginne die Indoktrination mit dem jeweiligen Feindbild, so dass friedliche Begegnungen praktisch nicht möglich sind. Persönliche Erlebnisse und Beispiele brachten und bringen die Menschen in dieser Bewegung zu der Einsicht, dass Gewalt keine Lösung ist. So beschrieben es Iris Gur aus Israel und Sulaiman Khatib aus Palästina von Combatants for Peace. Beide waren auf ganz eigene Weise zu dieser Erkenntnis gekommen, wie sie bei der Entgegennahme des Preises mit sehr persönlichen und emotionalen Einblicken in ihre Lebensgeschichten vor dem gut 90-köpfigen Publikum darlegten. „Ich bin Israel und ich bin Palästina! Das trage ich in die Zukunft und auch hierher ins Antikriegshaus“, sagte Gur. Ihr Mitstreiter Sulaiman Khatib kannte von Jugend an nichts anderes als den bewaffneten Kampf, wurde mit 14 Aktivist und sogleich ins Gefängnis gesperrt. Dort befasste er sich in der Theorie weiter mit dem Thema Widerstand und stieß auf beeindruckende Beispiele gewaltlosen Widerstands – wie zum Beispiel auf die Geschichte von Nelson Mandela.

„Es hat eine überwältigende Wirkung, wenn Betroffene den scheinbar unvermeidlichen Kreislauf von Gewalt, Rache und Hass unterbrechen. Es macht Hoffnung, wenn ehemalige Kämpferinnen und Kämpfer verbittert verfeindeter Seiten die Waffen niederlegen, sich die Hand reichen und dadurch die tödlichen Narrative von Terror, Gewalt und Besatzung entlarven“, erklärte der stellvertretende Superintendent des Kirchenkreises Burgdorf, Dr. Tibor Anca.

„Wenn wir die Grausamkeiten in Israel und Palästina aus der Ferne wahrnehmen, können wir nur sagen: Es ist angebracht, von einem Kampf für den Frieden zu sprechen. Mit derselben Energie, Entschlossenheit und Zielstrebigkeit wie für den Krieg soll die Arbeit für den Frieden geführt werden“, sagte Dr. Ralph Charbonnier, theologischer Vizepräsident des Landeskirchenamts. „Die Combatants for Peace setzen sich seit Jahren für den Dialog und die Zusammenarbeit zwischen Israelis und Palästinensern ein, und dies unter schwierigsten Rahmenbedingungen“, begründete Dr. Edelgard Bulmahn die Entscheidung der Jury. „Gerade Ihre Arbeit gibt Hoffnung, dass Menschen unterschiedlicher Kultur, Herkunft, Religion und Interessen friedlich zusammenleben können.“

Auch der Laudator, der Journalist und Nahost-Kenner Dr. Daniel Alexander Schacht, hob die besonderen Umstände hervor, unter denen die Combatants for Peace unter anderem mit gemeinsamen Trauerfeiern und Gedenkveranstaltungen für Menschen aus Palästina und Israel ihre mühselige, oft von Rückschlägen begleitete Versöhnungsarbeit leisten – gegen den Widerstand der Hardliner, gegen festgefügte Vorurteile sogar aus den eigenen Reihen und Familien. „Gegen das nur scheinbar bequeme, auf die Dauer jedoch gefährliche Lagerdenken, das immer weiter in die Sackgasse führt, haben sich die Combatants for Peace entschieden, die andere Seite nicht länger nur durch die Zielfernrohre ihrer Waffen wahrzunehmen, sondern die Waffen niederzulegen. Zu loben ist der Mut zu dieser Entscheidung der Combatants, die Klarheit ihres Blicks auf die Realitäten, die Genauigkeit ihrer Kritik, ihre Zivilcourage und die Ausdauer, mit der sie dieses Engagement allen Widerständen zum Trotz verfolgen. Lassen Sie mich Ihnen dafür danken, dass sie diese Tugenden mit Leben erfüllen! Ich wünsche Ihnen, dass sie den langen Atem dafür haben werden, diese Tugenden bis zu einem guten Ende weiterzutragen!“

Susanna Veenhuis

Foto: Henning Menzel