Alles hat seine Zeit
Als Kind fand ich sie großartig: Die mutige Momo, die nichts erschrecken kann, die nur so überschäumt vor Lebensfreude, die sich von Herzen über und mit ihren Freunden freut. Das gleichnamige Kinderbuch von Michael Ende habe ich verschlungen.
Nun sind die Jahre ins Land gegangen und ich finde mich in einem Theatersessel wieder. Momo auf der Bühne, eine großartige Inszenierung, nur zu empfehlen. Ein Blick ins Publikum. Die Geschichte scheint auch Erwachsenen etwas zu sagen. Das ist wohl ein Geheimnis von Kinderbüchern.
Standig ovations, der Vorhang fällt, wir gehen noch in eine Bar. Ich denke an meine ToDo-Liste, die nicht enden will. Für mich bestelle ich nur einen Espresso. So viel zu tun. Ich weiß gar nicht, wo oben ist und unten. Die Martinee hätte ich mir eigentlich nicht leisten können. Okay.
Ein Freund schaut mich schief an. Du hast schon verstanden, worum es in dem Stück geht, oder? Er erinnert mich an Beppo, den Straßenkehrer, der in seiner Arbeit unterzugehen scheint. So viel zu tun. Wie soll er das nur schaffen? Sein Lifehack lautet: Nicht die ganze Straße anschauen, sondern den nächsten Schritt und den nächsten und den nächsten. Wir lachen. Das tut gut.
Ein neues Jahr liegt vor uns. 365 Tage, 8760 Stunden, 525 600 Minuten und 31 536 000 Sekunden, die gelebt werden wollen. Lachen, weinen, lieben, neu anfangen und Abschied nehmen, streiten und versöhnen. All das hat seine Zeit. Und dabei: Beppo nicht vergessen und die Zeit genießen, das nehme ich mir vor. Und bald wieder ins Theater zu gehen.
Henrik Heinicke
Pastor der St.-Pankratius-Kirchengemeinde Burgdorf