Mehr als ein Traum
Meine Großeltern haben selten über Frieden gesprochen. Wenn wir mit den Rädern durch die Felder gefahren sind, dann ging es eher um Krieg. Den haben sie selbst miterlebt. Meine Großeltern sind geflohen, da waren sie noch nicht konfirmiert. Sie mussten alles zurücklassen. Kaum vorstellbar für mich. Hin und wieder haben sie angedeutet, was sie auf der Flucht alles erlebt haben. Auch das: Kaum vorstellbar für mich. Als Kind fand ich diese Geschichten – ehrlicherweise – eher langweilig. Heute denke ich anders darüber nach.
In Gedanken fahre ich mit meinem Opa und meiner Oma noch einmal durch die Felder. Ich würde sie gern fragen, wie sie das alles geschafft haben. Aus dem Nichts haben sie sich etwas aufgebaut. Mit Einfamilienhaus, VW-Käfer und Holländer-Windmühle im Garten. Der Krieg hat trotzdem Spuren in ihren Leben hinterlassen. Dass sich bei Familienfeiern die Tische bogen unter dem Gewicht der Kottelets, Mohntorten und Hochzeitssuppen, erzählte davon.
Am Volkstrauertag erinnern wir uns an die Schrecken, die der Krieg über das Land gebracht hat. Auf die eine oder andere Weise wirken sie nach. Heute erinnere ich mich an meine Großeltern und ich bin dankbar dafür, dass sie vom Krieg erzählt haben. Denn schon als Kind ahnte ich, wie grausam er ist. Heute frage ich mich: Vielleicht müssen wir mutiger vom Frieden sprechen, gerade in diesen Zeiten. Von Frieden, den Gott uns verspricht. Manche sagen, Frieden sei ein Traum. Wenn das stimmt, dann möchte ich nicht aufhören zu träumen.
Henrik Heinicke
Pastor der St.-Pankratius-Kirchengemeinde Burgdorf